Fall 4: Prominenten-Fotos aus dem Westerwald (Sachverhalt) 

19.07.02

Aus:  Klausurenkurs im Öffentlichen Recht SS 2002 (Univ. Bonn) (aktualisiert SS 2012)

Home ] Nach oben ]  [ Besprechung ]  [ Download ]

T ist die älteste Tochter eines europäischen Monarchen und nimmt die daraus resultierenden repräsentativen Aufgaben ernst. Sie hat sich daran gewöhnt, dass sie zu den sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte gehört, deren Bildnisse nach § 23 KunstUrhG auch ohne ihre Einwilligung verbreitet werden dürfen, wenn dies keine berechtigten Interessen der Abgebildeten verletzt. Nach jedem öffentlichen Auftritt ziert ihr Abbild die Titelseiten der Boulevardpresse, doch sie akzeptiert dies als unvermeidliche Nebenfolge ihres "Jobs".

Außerhalb dieses "Jobs" legt T allerdings großen Wert auf ein beschauliches, zurückgezogenes Privatleben. Dazu begibt sie sich oft auf ein abgelegenes Landgut in einem kleinen Dorf im Westerwald. Dort pflegt sie, mit den wenigen Einheimischen gut bekannt, einen unauffälligen Alltag. Der Veröffentlichung von Fotos davon würde sie niemals zustimmen.

Eines Tages erscheint in einer Illustrierten eine großangelegte Foto-Reportage über "das glückliche Landleben der Prinzessin T". Die heimlich und zumeist aus größerer Entfernung mit einem Teleobjektiv aufgenommenen Fotos bilden T ausschließlich in alltäglichen privaten Zusammenhängen im Westerwald ab. Ein Foto zeigt sie beim qualitätsbewussten Einkauf von Lebensmitteln auf dem Wochenmarkt, ein anderes beim Radfahren auf der Dorfstraße, ein drittes beim Küssen ihres Freundes in einer ruhigen Ecke der Dorfkneipe, ein viertes beim Spielen mit ihren Kindern.

T klagt vor den Zivilgerichten auf Unterlassung der Veröffentlichung der Fotos, jedoch bis in die letzte Instanz ohne Erfolg. Sie fordert ein Einschreiten des Staates zum Schutze ihrer Privatsphäre und ihres Rechts am eigenen Bild. Die Zivilgerichte lehnen dies jedoch unter Hinweis auf § 23 KunstUrhG sowie die grundgesetzlich gewährleistete Pressefreiheit ab.

T erhebt daraufhin Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie ist der Ansicht, schon die Verfassungsmäßigkeit des § 23 KunstUrhG sei zweifelhaft. Jedenfalls müsse die freie Bildberichterstattung über Personen der Zeitgeschichte auch im Rahmen der Pressefreiheit von vornherein auf solche Anlässe beschränkt werden, bei denen diese Personen in ihrer offiziellen oder gesellschaftlichen Funktion tätig seien. In ihrem Falle sei schon deswegen staatlicher Schutz geboten, weil die Fotos unter Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit hergestellt worden seien. Sie habe sich zwar an öffentlichen Plätzen aufgehalten, sich aber ersichtlich unbeobachtet gefühlt und ihr Verhalten darauf eingestellt. Was das Foto aus der Dorfkneipe betreffe, habe sie sich mit dem Ausweichen in eine ruhige Ecke und einem Verhalten, das naturgemäß nicht auf Öffentlichkeit angelegt sei, erkennbar in die private Abgeschiedenheit zurückgezogen. Ein besonderer Privatsphärenschutz gelte im Übrigen für ihren privaten Umgang mit ihren Kindern. 

A. Hat die Verfassungsbeschwerde der T Aussicht auf Erfolg?

B. Wie sind die Erfolgsaussichten, wenn sich herausstellt, dass T einer anderen Illustrierten gegen Entgelt die Exklusivrechte für die Bildberichterstattung über ihr Privatleben eingeräumt hatte und jetzt eine ungestörte Vermarktung sichern will?

C. Ergäbe sich hinsichtlich des Fotos vom Küssen ein Unterschied, wenn dieses nicht in der Dorfkneipe sondern von einem Picknick auf einer abgelegenen, zwischen kleinen Hügeln versteckten Waldlichtung aufgenommen worden wäre?

§ 23 KunstUrhG lautet: 

"(1) Ohne ... Einwilligung dürfen verbreitet ... werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte ... .
 (2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung ..., durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten ... verletzt wird."

Zur Besprechung 

 

Zurück ] Home ] Weiter ]   © Thomas.Schmitz@jur.uni-goettingen.de